Sonntag, 20. November 2011

Baby you're a firework...

Tobi schrieb ihr immer seltener. Vanessa war schon seit einer Woche wieder zu Hause, er hatte keine Zeit für sie gehabt. Auch dieses Wochenende nicht. Sie war ziemlich enttäuscht. Irgendwie würde sie ihn schon gerne mal wieder sehen. Aber sie freute sich auch über Marcels Anruf, sie solle doch am Wochenende mal wieder zu ihm kommen. Marcel und Elias waren Vanessas beste Freunde. Abgesehen von Selina natürlich. Aber zu Marcel und Elias hatte sie eine völlig andere Beziehung. Die beiden waren wie Brüder für sie. Sie kannte Elias seit sie 2 Tage alt war, Marcel seit seiner Geburt.Ihre Eltern waren gut befreundet, ihre Mütter hatten sich früher alle paar Tage getroffen und sie hatten miteinander gespielt. Elias, der ein Jahr älter war, hatte ihr sogar das Lesen beigebracht. Marcel war fast zwei Jahre jünger und hing immer an ihr wie eine Klette, wenn sie sich trafen. Vanessa konnte sich ein Leben ohne die beiden gar nicht vorstellen. 
So besuchte sie Marcel an diesem Samstag in seiner riesigen Penthousewohnung, obwohl sie schlecht gelaunt war wegen Tobi. Elias war natürlich auch da. 

Der Abend wurde sehr lustig. Wie früher banden sie Chips an einer ewig langen Schnur fest und ließen sie runter auf den Fußgängerweg baumeln, machten sich ekelhafte Sandwiches und schauten Bauer sucht Frau. Vanessa vergaß dabei alle ihre Sorgen. Bis Marcel irgendwann eine seltsame Idee hatte. "Ich hab noch Kracher von Silvester. Wollen wir unten n bisschen böllern?" Die Jungs waren natürlich einer Meinung und zogen sich schon die Schuhe an, während sie noch zögerte. "Sicher, dass das eine gute Idee ist? Darf man das überhaupt mitten im Jahr?" "Klar, solangs nix fettes is schon. Und tu nicht so als wärst du hier die Vernünftige!", rief Marcel und stürmte schon zur Tür. Lachend verscheuchte sie ihre Hintergedanken und rannte hinterher. 

Unten trafen sie zufällig einen Kumpel von Marcel, der begeistert die Kiste mit den Krachern durchwühlte. Während die beiden die ersten Chinaböller und Schmetterlinge anzündeten, standen Elias und sie eher verunsichert daneben. Elias hielt die Kiste. "Ich stell die mal lieber zur Seite. Wenn da n Funken reingeht bin ich meine Arme sonst los!", lachte er und stellte sie hinter Marcel auf den Boden.  Mit der Zeit wurden sie entspannter. Vanessa zündete sogar selbst einen kleinen Vulkan an. So standen sie 10 Minuten lang an der Straße und betrachteten das Geleuchte. 
Vanessa wurde langsam langweilig. Sie und Elias waren kurz davor wieder hochzugehen. Da holte Marcel mit einem bereits angezündeten Böller nahc hinten aus um ihn zu werfen und traf Vanessa damit fast am Kopf. "Spinnst du?", brüllte sie ihn an,"willst du dir die Hand wegknallen, oder mir den Kopf? Pass auf was du machst, das ist echt nicht mehr lustig so." Aber er und sein Kumpel schienen gar nicht zu hören, rannten weiter mit Böllern in der Hand durch die Gegend und holten unkontrolliert aus. "Ich kann gar nicht hinschauen...", meinte auch Elias. Aber da war es schon zu spät. 
Vanessa hörte Marcel und Elias nur panisch schreien und sah plötzlich Funken überall um sich herum. Es knallte und krachte laut, Kracher zischten knapp an ihrem Kopf vorbei. Wie alle anderen begann auch sie zu rennen, panisch.  Um nicht getroffen zu werden hielt sie sich die Hände über den Kopf und rannte um ihr Leben. Sie hatte nur noch Angst, getroffen zu werden. Alles war vernebelt von den vielen Krachern, Vanessa konnte kaum mehr sehen. Sie spürte nur plötzlich einen dumpfen Schmerz an der Stirn und hörte ein lautes Plong in ihrem Kopf. Für die nächsten paar Sekunden war alles um sie herum schwarz.
Langsam breitete sich in ihrem ganzen Kopf ein enormer Druck aus. Nach kurzer Zeit wurde der Druck zu einem pochenden Schmerz, allmählich kam ihre Sehkraft wieder. Sie war viel zu benebelt um zu verstehen, was gerade passiert war. "Oh Gott Vanni! Scheiße, pass doch auf wo du hinrennst!", hörte sie Elias rufen. Er stand ca. 10 Meter weg von ihr und starrte sie entsetzt an. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihr nichts mehr um die Ohren flog. Sie drehte sich um, aber statt der Kiste waren nur noch ein Haufen Asche und ein paar Kracherreste zu sehen. Und ihr Kopf. Was war passiert? Sie konnte sich an die letzten 30 Sekunden nicht mehr erinnern. Auf einmal stand Marcel neben ihr. "Ach du scheiße...", sagte er leise. "Was ist los? Du Idiot hast mal wieder nicht auf deine Hände aufgepasst, ich bin weggerannt, und dann?" Der Schmerz kroch immer weiter nach vorne. Langsam schmerzte es nur noch über ihrem rechten Auge. Marcel starrte sie nur an und hielt sich die Hand vor den Mund. Bis ihm eine Träne über die Wange lief. "Es tut mir so leid...das wollte ich nicht, echt...oh gott es tut mir so leid...", weinte er. Auch Elias kam näher, mit dem gleichen besorgten Blick wie Marcel. Sie fragte sich, warum die beiden sie so anstarrten. Blutete sie etwa irgendwo? Vorsichtig hob sie ihre Hand, um ihren Kopf abzutasten. Sie hatte panische Angst vor dem, was sie dort erwartete. So würden die beiden sie nie ohne Grund ansehen. 
Langsam führte sie ihre Hand zu ihrem linken Auge. Das Auge war in Ordnung. Auch als sie weiter hoch zu ihrer Stirn tastete konnte sie nichts besonderes feststellen. Vanessa ließ die Hand weiter nach rechts gleiten. Zuckte vor Schmerz zusammen und erschrak. Da, wo eigentlich ihre rechte Augenbraue sein sollte, fasste sie direkt auf einen dicken Knubbel. "Was ist mit meiner Stirn?", rief sie, kurz davor, in Tränen auszubrechen. "Du...du bist gegen den Laternenpfosten gerannt...", meinte Marcel leise. Ja, das muss es wohl gewesen sein. Ihre Erinnerungen wurden deutlicher. Um ihre Stirn anzusehen lief sie zum Auto zwei Meter weiter und bückte sich zum Seitenspiegel. Gerade konnte sie noch einen Aufschrei unterdrücken. Sie war entstellt! Ihre gesamte rechte Augenbraue war eine dicke Beule. Eine sehr schmerzende Beule. Als sie sich wieder aufrichtete, verschwamm alles kurz vor ihren Augen. Ruhig bleiben, dachte sie, ruhig bleiben. Und versuchte zu überlegen, was jetzt am besten zu tun war. 

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