Montag, 7. November 2011

Winterlandschften und kleine Skiunfälle ll

Für 8 Uhr hatte Vanessa sich ihren Wecker gestellt. Wenn sie schon im Urlaub waren, wollte sie zur Abwechslung auch mal nett zu ihren Eltern sein und ihnen eine Freude machen, indem sie sich leise ins Bad schlich, anzog und nach draußen ging um ihnen Croissants zum Frühstück zu besorgen. Schon als sie unten die Tür öffnete schlug ihr der eisige Wind entgegen und sie bereute, keine Handschuhe mitgenommen zu haben. Aber sie wollte nicht noch mehr Lärm machen und beschloss, die Kälte einfach zu ignorieren. 
Jede Straße war ihr in diesem Ort bekannt, jedes Haus, jeder Baum am Wegrand. So konnte sie in Ruhe nachdenken während sie durch den kleinen Park den Berg hinunter zur anderen Stadthälfte lief. Sie genoss die ruhige, verschneite Landschaft, das ganze Dorf schien noch zu schlafen. Nur ein paar alte Frauen mit ihren Hunden liefen ihr über den Weg. Als ihr Handy plötzlich in ihrer Hosentasche vibrierte, erschrak sie auch dementsprechend. Verärgert holte sie das Handy raus und ging ran. "Hey hast du heute Zeit zum shoppen?", hörte sie Selina fragen. Schon wieder war sie wütend auf sie. Sie hatte ihr also nicht mal zugehört, als sie ihr von ihrem Skiurlaub erzählt hatte. "Schalt mal deinen blöden Kopf ein!", schrie Vanessa ins Telefon und legte gleich wieder auf. Mit ziemlich schlechter Laune setzte sie ihren Weg fort und musste sich noch dazu erst mal anschreien lassen, als sie zurückkam. "Was hast du dir dabei gedacht einfach  alleine durch die Stadt zu laufen? Wir haben uns Sorgen gemacht, wir wussten nicht was los ist!" Als ob man mit fast 16 Jahren nicht selbst auf sich aufpassen könnte. Schon war die gute Laune für den restlichen Tag verflogen. Selbst Tobi munterte sie nicht auf, gerade mal 2 Mails bekam sie an diesem Tag von ihm.  

Natürlich bestand der Urlaub auch hauptsächlich aus Ski fahren. Jeden Nachmittag, natürlich erst nachdem Vanessa gründlich gelernt hatte, schleppten ihre Eltern sie mit auf die Piste. Die Zahl der Abfahrten in diesem Kaff war ziemlich begrenzt, also verbrachten sie die ersten 2 Tage nur auf der blauen Piste mit dem schleichend langsamen Schlepplift. Fürs erste war das Vanessa aber auch genug, schon nach 2 Abfahrten war sie total außer Puste. Unsportlich wie immer. Auch am 2. Tag war sie noch nicht wirklich fit. Während ihre Eltern zum 6. Mal die Piste runterbretterten bleib sie lieber oben in einem Schneehaufen sitzen und sah sich das Dorf von oben an. Zur letzten Abfahrt konnte sie sich gerade noch aufraffen, als ihre Eltern wieder mit dem Lift nach oben kamen. 
Auf halber Strecke hörte Vanessa ein unheilvolles Kratzen hinter sich. Sie hasste es Snowboarder hinter sich zu haben. Kaum einer konnte sich richtig kontrollieren, die meisten rutschten einfach nur gerade die Piste hinunter und bremsten, indem sie sich in den Schnee schmissen. Also hielt sie an um abzuwarten, dass der Snowboarder an ihr vorbeischlitterte. Und drehte sich um. Gerade noch sah sie ein Mädchen in hellblauer Jacke und riesiger Skibrille vor dem Gesicht auf sich zudonnern. "Achtung!", schrie das Mädchen. Aber schon lagen sie übereinander auf dem Boden, Vanessas linker Ski zwei Meter, das andere Mädchen mit dem Gesicht im Schnee. Wütend schon zum zweiten mal in dieser Woche von einem Snowboarder umgefahren worden zu sein fing Vanessa an zu schimpfen:"Kannst du nicht aufpassen wo du hinfährst? Wenn du nicht fahren kann mach erst mal nen Kurs, dann verletzt du wenigstens keine anderen Leute!" Das Mädchen dreht sich um und sah sie an, ohne ein Wort zu sagen. Irgendwas war komisch an ihr. Sie erinnerte sie an jemanden...
"Vanni?", fragte sie in der selben Sekunde. "Elly!", rief Vanessa und war plötzlich gar nicht mehr sauer, dass sie umgefahren wurde. Da saß doch tatsächlich Elly vor ihr, die 3 Jahre lang in ihrer Klasse gewesen war und damals eine ziemlich gute Freundin. "Hab ichs mir doch gedacht! Diese Lippen erkenn ich überall wieder!", grinste Elly. Sie halfen sich gegenseitig auf. "Und was machst du hier? Auch Skiurlaub?" Vanessa war plötzlich richtig gut gelaunt. "Nein, ich bin eigentlich bei meinem Onkel zu Besuch, der wohnt zwei Käffer weiter...Das gibts ja nicht dass ich dich ausgerechnet hier treff!" Das war wahr. Ein kleines Dorf im Allgäu, mit ca. 500 Einwohnern, und ausgerechnet hier traf sie Elly.
Von hinten sah sie ihre Eltern ankommen. "Bist du hingefallen? Alles ok?" "Ja, alles super. Hey, das ist Elly, sie war mal in meiner Klasse, weißt du noch?" Freundlich schüttelten die beiden sich die Hand. Und irgendetwas daran gefiel ihr ganz und gar nicht. Aber erst mal fuhren sie zusammen ins Tal. 

Aber auch da wurde Vanessa ihr ungutes Gefühl nicht los. Kurz meinte sie sich an etwas zu erinnern, verlor den Gedanken aber sofort wieder aus den Augen. Ihre Eltern saßen zusammen mit ihr und Elly noch eine Weile auf der Bank und unterhielten sich fröhlich. 
Vanessa beteiligte sich kaum am Gespräch und versuchte sich an etwas zu erinnern, dass ein Grund dafür sein könnte, dass sie sich bei einem Gespräch zwischen Elly und ihrer Mutter unwohl fühlte. "Alles Gute nachträglich übrigens.", meinte ihre Mutter ein paar Minuten später. Da kam es Vanessa schlagartig wieder ins Gedächtnis. Nein! "Geburtstag? Ich hab erst im April!" "Aber wenn du die Elly bist, die in Schwaig wohnt, war Vanessa doch vor 2 Wochen auf deiner Party?" "Nein, welche Party???". Nein, nein, das durfte nicht wahr sein. Ihre Lüge. Ihre Tarnung. Tobi. 

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