Montag, 28. November 2011

Kleine Lügen und unfähige Ärzte

Der Aufzug brauchte mal wieder ewig nach oben. Marcel heulte immer noch und wiederholte ständig, wie leid es ihm tat. Langsam wurde Vanessa panisch. "Wir werden sagen, ich bin einfach so gegen den Pfosten gerannt. Sagt nichts von den Krachern.", flüsterte sie mit geschlossenen Augen, um den Schmerz nicht noch zu verschlimmern. "Nein, wir sagen die Wahrheit. Das glaubt dir doch keiner!" Marcel beruhigte sich langsam wieder. "So tollpatschig wie ich bin glaubt mir das jeder. Ich sag ich hab mich umgedreht und da stand der Pfosten. Und ich will nicht, dass du Ärger kriegst. Du merkst ja selber schon dass du Mist gebaut hast." Elias lachte. "Wie wir früher immer gesagt haben, wir halten immer zusammen!" Und irgendwie hatte er damit auch Recht. 
Als die Tür sich öffnete, stürmte Marcel in die Wohnung. "Mamaaaa, bist du da?", schrie er. "Was ist los?", klang es leise aus dem Arbeitszimmer. Vanessa betrat das Wohnzimmer. "Vanni ist verletzt, komm, und bring am besten Eis mit!" So schnell hatte Vanessa sie noch nie rennen sehen. Als sie sie sah, fragte sie mit genau dem selben entsetzten Blick wie ihr Sohn, was denn passiert wäre. Vanessa erzählte, sie hätte sich beim Umdrehen die Stirn am Pfosten gestoßen. "Da musst du schon mit ganz schönem Tempo dagegengerannt sein...soll ich dich gleich ins Krankenhaus fahren oder erst mal deine Eltern anrufen?", meinte sie besorgt, als sie mit einem kalten Waschlappen wieder zurückkam. Krankenhaus? Daran hatte Vanessa noch gar nicht gedacht. Aber jetzt, wo sie es sagte, erschien es logisch. Es könnte etwas gebrochen sein. Oder eine Gehirnerschütterung. Danach fühlte es sich im Moment fast an. Sie beschlossen, erst mal ihre Mutter anzurufen, die sofort vorbeikommen wollte. Marcel brachte ihr Kissen und sie legte sich aufs Sofa. Elias grinste nur. "Du siehst so lustig aus. Tschuldigung, es tut wahrscheinlich echt weh, aber es ist einfach lustig!" Vanessa wusste nicht, ob sie das taktlos finden sollte oder lachen. Marcel ging es langsam auch wieder besser. Die beiden machten sich einen Spaß daraus, sie mit ihren Handys zu filmen, während sie immer stärkere Kopfschmerzen bekam. Langsam machte sie sich wirklich Sorgen. 

Ohne zu zögern nahm ihre Mutter sie mit nach unten ins Auto, wo ihr Vater bereits wartete. Auf dem Weg zum Krankenhaus schimpfte er ununterbrochen über ihre Dummheit, währed Vanessa sich die Ohren zuhielt. Jeder laute Ton fühlte sich in ihrem Kopf an wie ein Trommelschlag. 
10 Minuten später stand sie mit ihrer Mutter in der Notaufnahme. Selbst die Frau am Anmeldeschalter betrachtete Vanessa eher amüsiert als mitleidig. Mittlerweile war die Beule noch dicker geworden und drückte. Vanessa war ziemlich nervös. Was, wenn etwas gebrochen wäre? An der Stirn kann man niemanden operieren. Zumindest nicht ohne Narben.
Sie mussten nicht lange warten, natürlich, um 1 Uhr nachts ist nicht mehr so viel los in der Notaufnahme. Direkt nach der Frau mit dem seltsam verdrehten Arm holte der Arzt sie ins Zimmer. 
"Ich hab noch nie gesehen, dass jemand so eine dicke Beule hat, nur weil er irgendwo dagegengerannt ist!", meinte sogar der junge Arzt. Er leuchtete in ihre Augen, testete Reflexe in ihrem Gesicht und ihr Hörvermögen. Dann führte er noch den Finger vor ihrem Gesicht auf und ab, wie sie es nur aus schlechten Arztserien kannte. Angeblich um zu prüfen, wie schlimm ihre Gehirnerschütterung war. "3 Tage absolute Ruhe, viel kühlen und dann wird das schon wieder.", meinte er abschließend. Erstaunt fragte Vanessa:"Das wars schon?" "Ja, eine leichte Gehirnerschütterung und eine ziemlich schlimme Beule. Du kannst beruhigt wieder nach Hause gehen." "Und was ist mit meinem Knochen? Kann es nicht sein, dass da irgendwas abgesplittert ist oder so?" "Das wär schon sehr unwahrscheinlich wenn du nur gegen eine Laterne gerannt bist." "Aber möglich? Kann man das nicht irgendwie röntgen oder so?" Ihre Mutter mischte sich ein:"Schatz wenn er sagt es ist alles in Ordnung sei doch froh. Vielen Dank, einen schönen Abend noch!" Mit diesen Worten zog sie Vanessa hinter sich aus dem Krankenhaus. Sie hatte kein gutes Gefühl dabei. Ihre Beule fühlte sich wirklich komisch an, nicht nur einfach wie eine Beule. 

Wütend versuchte sie ihre Mutter am nächsten Tag zu überreden, nochmal mit ihr zum Arzt zu gehen. Über Nacht war ihr Auge komplett zugeschwollen. Ihr Vater nannte sie deswegen passenderweise Quasimodo. Alles war blau und dick und sie meinte, es würde sich etwas in der Beule bewegen, wenn sie darauf herumdrückte. (was natürlich auch sehr wehtat). Aber keiner wollte mit ihr zum Arzt. Tobi interessierte sich auch wenig dafür, dass es ihr schlecht ging. Er schrieb ihr kaum mehr. 

Die Beule war nach 1, 2 Wochen wieder weg. Aber noch heute spürt man auf meiner Stirn eine Delle und sogar zwei kleine Knochensplitter, wenn man darüber streicht. Und sieht den Knick in meiner rechten Augenbraue. 

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