Donnerstag, 26. Mai 2011

Zweifel

Tobi schrieb Vanessa in jeder freien Minute, iPhone sei dank. Aber Vanessa hatte große Bedenken, ob sie ihn irgendwann wirklich treffen wollte. Er wirkte einfach viel zu gut für eine fragwürdige Website wie diese. Noch dazu verlangte er nicht mal ein Bild von ihr und drängte sie auch nicht, sich mit ihm zu treffen. Er meinte dazu nur "wennste mich mal sehen willst, sag einfach bescheid. ich will dich ja hier zu nix zwingen ;)" Sie konnte auch nicht verstehen, warum so ein netter Kerl wie er das Internet braucht, um sich jemanden zu suchen. Und manchmal hatte sie den Eindruck, er würde ihr nur das erzählen, was sie hören wollte. Seine ganze Art war ihrer so ähnlich, seine Einstellungen zu Leben und Zukunft oder einfach sein Humor. Es gab bisher kaum jemanden, mit dem sie sich auf Anhieb so gut verstanden hatte. Noch mehr Zweifel hatte sie, als sie ihm irgendwann freiwillig ein Bild von sich schickte. "wow bist echt hübsch!! siehst so etwas südländisch aus!?!... sehr sehr sexy!" hieß es zuerst. Danach endete fast jeder Satz, den er ihr schrieb auf Süße oder Schnucki, und das nicht nur einen Tag lang. Er fing immer mehr an zu schleimen. Zumindest hatte Vanessa den Eindruck, es war schleimen. Um das junge, schüchterne Ding ins Bett zu kriegen. Aber eigentlich wusste er, dass er das nicht nötig hatte. Sie war hin und hergerissen. Je länger sie mit ihm schreib und je besser sie ihn kennenlernte, desto mehr wollte sie ihn aber auch endlich mal sehen. Nach 3 weiteren Wochen hatte sie sich schon fast dazu entschlossen. Immerhin hatte sie nichts zu verlieren. Selbst wenn er sie entführen und umbringen würde. Ihr Leben hatte in diesem Moment nichts, was ihr wirklich etwas wert war, nichts, wofür es sich lohnte, auf sich aufzupassen.

13 Kommentare:

  1. Deine Bereitschaft zum Bedürfnisaufschub ist schon beeindrucvkend. Anfangs schreibst du, dass du halb verrückt zu werden befürchtetes vor sexuellem Verlangen ... und dann dieses wochenlange Hinschieben! Aber vielleicht ist das ja der besondere Reiz, auch eine Art "Selbstbestrafung"?
    Zum Gefühl von Wertlosigkeit, welches dein ganze Ich durchdringt, gehört wohl eine andere Geschichte mit vielen Mosaiksteinchen, die dieses Bild entstehen ließen.

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  2. Reiz und Selbstbestrafung trifft es schon ganz gut...es war hauptsächlich der zusätzliche Reiz, so lange zu warten, die Vorfreude zu steigern...
    Viele Menschen haben mir in meinem Leben schon das Gefühl gegeben, nichts wert zu sein. Das lässt einen natürlich nicht kalt.

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  3. Wenn diese Menschen dein Selbstwertgefühl so sehr zerstört haben, dann müssen sie in deinem Leben schon ein großes Gewicht haben und du scheinst in deinen Erwartungen ihnen gegenüber doch sehr schwer enttäuscht und verletzt worden zu sein.
    Nur richtet sich deine Wut der Enttäuschung nicht gegen sie, sondern gegen dich selbst. Schuldgefühle?
    Angst vor ihrer Macht?
    Oder bleiben sie unerreichbar für dich, weil alles von ihnen ohne Wirkung abprallt?

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  4. Ich weiß es nicht. Ich weiß, dass ich sowohl auf mich selbst als auch auf die meisten Menschen wütend bin. Und dass es Tage gibt, an denen ich einfach alles um mich herum vernichten will, wenn mich mal wieder jemand traurig gemacht hat.

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  5. Was wäre, wenn du an solchen Tagen alles um dich herum vernichtet hättest?
    Würdest du dich "besser" fühlen?
    Was wäre dann anders?
    Würde es deine Traurigkeit mildern?
    Sind die "Jemande", die dich traurig machen, austauschbar oder eher Personen, die dich in besonderer Weise verletzen können?
    Wie fühlst du dich an anderen Tagen, wenn die Wut dich nicht so übermächtig überrollt?
    Sorry, wenn ich so viel frage, aber dir steht ja frei, ob du antworten magst....

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  6. Stört mich natürlich nicht, wenn du fragst ;)
    Kurzfristig würde es mir wahrscheinlich schon besser gehen, ich könnte einfach meine Wut und Traurigkeit rauslassen...
    Diese "Jemande" sind schon Personen, die mich besonders verletzen können. Nicht nur, aber hauptsächlich. Meine Eltern zum Beispiel. Solche Menschen kann man natürlich nicht ersetzen.

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  7. Danke für deine freundliche Rückmeldung!
    So wage ich mal weiter zu fragen...
    Also waren und sind es meist Menschen gewesen, zu denen du eine "unersätzliche" Verbindung mit verschiedenen für deine Person wichtigten Erwartungen hattest und hast und diese Erwartungen nach Beachtung, Achtung und Wertschätzung dieser Personen hat gefehlt und fehlt auch gegenwertig oder wurde und wird immer wieder enttäuscht?
    War das immer in deinem bisherigen Leben so, oder gab es bestimmte "Bruchstellen", die dein Innenleben immer mehr verfinstert und dich so entmutigt haben?
    Gibt es noch Erinnerungsinseln, an ein anderes, besseres Erleben und wenn ja, was war damals anders als heute?

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  9. Beachtung ist es nicht unbedingt, sondern es fehlt das Gefühl jemandem etwas zu bedeuten glaub ich. "Bruchstellen" gab es vielleicht auch ein paar, aber keine, von denen ich sagen könnte, ich bin dshalb so, wie ich jetzt bin.
    Als kleines Kind war alles in Ordnung, soweit ich mich erinnern kann. Bestimmte Erlebnisse könnte ich jetzt nicht nennen, aber ich erinnere mich, dass ich immer am glücklichsten war, wenn ich bei meiner Oma war, weil sie immer die einzige Person war, die mich richtig geliebt hat, egal was ich angestellt hab.

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  10. Der Tod deiner Oma war, wie du ja schon angedeutet hast, so eine dauerhaft schmerzhafte "Bruchstelle" in deinem Leben.
    Einen geliebten Menschen zu verlieren, wiegt schon schwer, zumal wenn deine Oma für dich als heranwachsendes Kind mit die einzige Person war, von der du dich immer geliebt und angenommen gefühlt hast.
    Da mag neben der Trauer auch die (ohnmächtige) Wut über die Ungerechtigkeit solcher Schicksalsschläge eine Quelle zu haben.

    Vermutlich konntest du bisher diesen Verlust auch mit niemand als dir selber ein Stück aufarbeiten und dadurch etwas Trost finden (?).

    Besonders in den Entwickklungsjahren, in denen ja das gesamte bisherige Wertesystem und die Gefühlswelt auf dem Kopf gestellt werden und alles sich mühevoll neu organisiert, kann es dann solch eine Weichenstellung geben, die in ein selbstzweifelndes und "finsteres" Erleben mündet, wie du es in deinen Texten - neben den sexuell motivierten Anteilen - ausdrückst.

    Die schriebst, dass du damals (so mit 12) auch ein enormes Interesse an sexuellen Dingen entwickelt hast, fast wie eine "Obsession".
    (Wobei das in dem Alter ja eigentlich "normal" ist)

    Auch damit warst du vermutlich allein gelassen und allein deinen eigenen Gedankengängen und Gefühlserlebnissen ausgeliefert.

    Diese Zeit war (und ist vielleicht bis heute) immer von großer innerlicher Anspannung gekennzeichnet,neben der Trauer ist gerade "Wut" ist ja pure Anspannung und so ist es verständlich, dass das sexuelle Erleben und diese intensiven Fantasien vielleicht auch durch ebenso intensive Selbstbefriedigung immer wieder eine kurzzeitige Art der Entspannung erfuhr (?).

    Solch eine wiederholte "Belohnung" durch Befriedigung kann vielleicht auch mit ein Grund sein, dass sich dieses in deinem so erlebten unersättlichen Verlangen nach Sex fixiert hat, weil es menschlich gesehen keine anderen Personen gegeben hat und gibt, die dir eine ähnliche Befriedigung und Zufriedenheit mit dir selbst in anderen Bereichen deiner Person gegeben haben.

    Das Gegenteil scheint eher der Fall zu sein, also das Gefühl des Ungeliebtseins und des funktionieren "Müssens".
    Du schreibst auch von den extremen Kontrollbedürfnissen deiner Eltern. Worauf bezog und bezieht sich das und wie erelbst du dies bzw. wie versuchst du damit umzugehen?
    So etwas zwingt ja fast zu einer Art "Doppelleben"!?

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  11. Bei jemand anderem Trost finden konnte ich wirklich fast nicht. Meine Mutter hat zwar immer gesagt, ich soll mit ihr reden, aber wenn ich damit angefangen habe, hat sie mich nicht ernst genommen oder wieder damit angefangen, ich soll mich lieber auf die Schule konzentrieren...und da hab ichs lieber gelassen.

    Was meinst du denn mit "Doppelleben"?
    Dieses Kontrollbedürfnis bezieht sich eigentlich auf mein ganzes Leben. Wenn ich weg will, muss ich auführlich Bericht erstatten wohin ich gehe, mit wem und wie lange ich brauche, ich werde hingebracht und abgeholt. Wenn ich in mein Zimmer gehe, stellen sie erst mal sicher, dass das Internet aus ist, damit ich nicht länger als 2 Stunden täglich vor demComputer verbringe. Sie zwingen mich zu Querflötenunterricht und zum Lernen, den ganzen Nachmittag, mindestens 3 Stunden, egal ob Schulaufgaben anstehen oder schon Ferien sind und es eigentlich nichts zu lernen gibt. Meine Mutter setzt sich oft sogar daneben. Das meine ich mit Kontrollzwang (eigentlich hauptsächlich meiner Mutter), und es ist unerträglich.

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  12. Immer wenn du früher versucht hast (ich vermute mal, gegenwärtig versuchst du es garnicht mehr ?), über etwas zu reden, was dich sehr beschäftigt hat, dann kam schnell das Gefühl auf, dass z.B. deine Mutter andere Dinge (wie z.B. die Schule und das Lernen) für wichtiger angesehen hat und du somit mit deinem Bedürfnis nach Trost und Verständnis immer ins Leere gelaufen bist und dich selbst nur über beste Leistungen "definiert" gefühlt hast.

    Welch eine schlimme Mißachtung deiner Person (!) die ja auch aus ganz vielen anderen wichtigen Gedanken, Anliegen, Fragen, Konflikten, Unsicherheiten, Freuden, Wünschen und Sehnsüchten besteht.

    Kein Wunder, dass du so mit der Zeit immer "stummer" (oder "stiller", wie du es mal geschrieben hast) wurdest und vielleicht somit dir eine zweite innere Welt" geschaffen hast, wo du dich mehr mit dir selbst unterhalten hast bzw. unterhältst und die du vor allen anderen Menschen versteckt hältst, weil du Angst hast, dass auch diese Welt jemand kontrollieren oder ständig mißverstehen könnte.

    Dieser Blog ist ja ein neuer Weg, sozusagen "anonym" den Versuch zu wagen, etwas, was dich bewegt und für das du bei niemandem sonst eine für dich hilfreicher Resonanz findest, zumindest loszuwerden..
    Der Gedanke einer eigenen inneren Welt führt auch zu dem "Doppelleben, von dem ich gesprochen habe.
    Wenn deine Eltern in solch einer total zwanghaften Art und Weise, alles, was du tust kontrollieren und dir kaum einen Freiraum für eigenständiges und selbstverantwortliches Verhalten und Entscheiden geben (was ja fast schon an Folter grenzt!), dann wäre es nicht verwunderlich, dass du diese Kontrolle immer wieder unterlaufen oder austricksen wolltest, sodass es neben deinem weitgehend den äußeren Zwängen angepasstes Leben eben auch ein zweites "heimliches" Leben gibt und sei es, dass dies überwiegen in deinen heftigen Wunschfantasien existierst, in dem du befreit von aller Kontrolle und allen Zwängen alles tun und lassen kannst, was allein du möchtest.
    Deine sexuellen Fantasien und Absichten würden vermutlich deine Eltern in einen totalen Schockzustand versetzen und gerade weil das vielleicht so ist, hat dies noch einen kleinen besonderen "Kick" für dich. "He,he, wenn ihr wüsstet, was da in mir brodelt...!"

    Deine oft ohnmächtige Wut und Traurigkeit bekommt auf diesem "Zwangsleben" Hintergrund schon einen "Sinn", ebenso deine verzeifelter Ausbruchsversuch, vermutlich in dem Bereich, wo es deine Eltern am meisten treffen würde...

    Ich bin fast sicher, dass du manche Wege und Mittel gefunden hast, dieses krankhafte Kontrollsystem zu unterlaufen?
    Wie waren und sind denn die Reaktionen, wenn du versucht hast, dich dieser ständigen Kontrolle zu verweigern?
    Mit was und wie wurdest du "bestraft"?

    So viel erst einmal dazu...

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  13. Naja letztendlich hab ich doch jemandem von dieser, wie du es nennst "inneren Welt" erzählt, aber wirklich anders ist es deshalb jetzt auch nicht. Es ist keine richtige, eigene Welt, so schlimm ist es noch nicht, ich will mich auch nicht verstecken, ich stelle mir einfach oft vor, wie schön das Leben sein könnte...

    Ja, natürlich schaff ich es oft irgendwie, meine Eltern auszutricksen oder eben einfach die Kontrolle zu verweigern...aber egal was ich mach, sie finden es meistens irgendwie raus, egal wie sehr ich mich anstrenge. Das macht mich glaub ich nochmal zusätzlich fertig. Wie sie reagieren...mein Vater mit Wutausbrüchen, meine Mutter erzählt mir dann immer tagelang, wie enttäuscht sie von mir ist und ich was erleben kann, wenn sowas nochmal vorkommt.

    Früher, ich mag es gar nicht schreiben, hat mich meine Mutter immer in den Keller gesperrt, wenn sie nicht mehr wusste, was sie mit mir machen soll. Zwar nur für 2, 3 Minuten, bis ich wieder ruhig war, aber sie wusste, wie viel Angst ich da drin hatte und wie ungerecht das ist. Heute nehmen sie mir meinen iPod weg, lassen mich nicht mehr ins Internet. Sie merken ja, dass mich das am meisten trifft, so kann ich nicht mehr mit Tobi chatten und auch sonst bin ich viel im Internet...

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